Blauschimmelkäse aus der Schweiz?! Oh ja.

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Gschicht vo hie

Blauschimmelkäse aus der Schweiz?! Oh ja.

Roquefort, Gorgonzola, Stilton – das sind die vielleicht bekanntesten ausländischen Blauschimmelkäse. Doch auch in der Schweiz wird Blauschimmel hergestellt, z. B. der "Blaue Jakob". Käser Oskar Häni zeigt uns, wie das geht.

"Penicillium Roqueforti"

Die Szenerie ist weiss: der dichte Morgennebel vor dem Fenster, Oskar Hänis Haarnetz und Schürze, die Milch im grossen Metallkessel vor ihm. Das Fläschchen mit der dunklen Flüssigkeit in den Händen des Käsers sticht deshalb ins Auge. "Penicillium Roqueforti", erklärt er fast feierlich. Hänis Käserei im Berner Seeland ist eine von wenigen in der Schweiz, die Blauschimmelkäse herstellen. Heute zeigt uns der Chef höchstpersönlich, wie das geht.

Penicillium Roqueforti

Was ist das?
Penicillium Roqueforti ist ein Edelschimmelpilz, der für die Herstellung von Blauschimmelkäse wie Roquefort, Gorgonzola oder Stilton verwendet wird.

Warum dieser Name?
Der Name "Penicillium Roqueforti" stammt von dem berühmten Roquefort-Käse, der in der Region Roquefort-sur-Soulzon in Frankreich hergestellt wird. Interessanterweise wurde der Käse in dieser Region bereits produziert, bevor der Schimmel wissenschaftlich beschrieben und benannt wurde.

Die Roquefort-Legende
Eine populäre Legende besagt, dass ein zerstreuter Hirte seinen Käse in einer Höhle zurückließ, die von diesem edlen Schimmel bewohnt war. Als er zurückkehrte, entdeckte er den ersten Blauschimmelkäse.

Fingerspitzengefühl für die Cremigkeit

Häni ist schon länger wach als wir, die flüssige Blauschimmelkultur aus dem Fläschchen bereits in der Milch. "Diese Kultur kaufe ich fixfertig", sagt er. Weitere wichtige Zutat für den Käse: Lab. Das Enzymgemisch bringt die Milch zum Gerinnen. Häni beginnt, die dicke Milch mit der Käseharfe zu bearbeiten, einer Art Gitarrensteg mit Saiten und Stiel. Dabei wirkt er tatsächlich fast wie ein Harfenist: Mit sanften Bewegungen zerteilt er die Milch in Streifen, dann in Quadrätchen. Unter ständigem Rühren trennen sich die gelblichen "Käsebruchstücke" langsam von der Molke, bilden eine feine Haut. Häni stupst eines der Stücke an. "Für meinen Blauschimmelkäse braucht es Fingerspitzengefühl", sagt er. Der 36-Jährige muss aufpassen, dass sich die Bruchstücke nicht weiter zerteilen. "Der Käse soll möglichst cremig werden, dafür müssen die Würfel gross genug sein und genügend Wasser einschliessen, das sie später im Käse freigeben."

Häni an der Käseharfe / Blauschimmelkultur im Fläschchen
Häni an der Käseharfe / Blauschimmelkultur im Fläschchen

Käserei Oskar Häni

Im Mai 2022 hat Oskar Häni die Dorfkäserei in Oberwil bei Büren übernommen. Der 36-Jährige produziert hauptsächlich Emmentaler, aber auch viele andere Käsesorten. Seinen Blauschimmelkäse stellt er aus thermisierter Milch her, die er von Bauern aus dem Dorf und der Umgebung bezieht. Für den "Blauen Jakob" verwendet er konventionelle, für die Variante "Blaues Wunder" Biomilch. Pro Jahr produziert Häni rund 5,5 Tonnen Blauschimmelkäse.

Eine gute Geschichte

In Hänis Käserei hat "der Blaue" Tradition. Sein Vorgänger entwickelte ihn aus Nostalgie: In den Nullerjahren bekam das historische Städtchen Büren an der Aare neue, eckige Pflastersteine. Das schlug hohe Wellen – bis hinauf ins Dorf Oberwil. Dort machte sich Köbu Beer ans Werk und pröbelte an einem Käse, der genau so aussehen sollte wie die alten, runden Steine. Heraus kam der "Blaue Jakob", Durchmesser: 13 Zentimeter, Textur: gräulich-weiss marmoriert. Oskar Häni schmunzelt: "Jeder gute Käse braucht eine gute Geschichte, oder?"

Blauschimmel: fein und gesund

Schmecken muss der Käse aber auch. "Dafür ist eine ausgeglichene Balance wichtig", sagt Häni. "Ein guter Blauschimmelkäse hat einen milchigen Geschmack und gleichzeitig ein kräftiges Blauschimmelaroma." Pikant und leicht süsslich. Diese Eigenschaften machen den Blauschimmel zum beliebten Edelschimmelpilz. "Viele andere Schimmelarten schmecken bitter, zum Beispiel der Grauschimmel", sagt Häni. Dazu sei der Blauschimmel sogar gesund und wirke entzündungshemmend.

Häni hinterm Tresen / Käserei wie aus dem Bilderbuch
Häni hinterm Tresen / Käserei wie aus dem Bilderbuch

Ein guter Blauschimmelkäse hat einen milchigen Geschmack und gleichzeitig ein kräftiges Blauschimmelaroma.

Oskar Häni, Käser

Blauschimmel made in Switzerland

Schweizer Blauschimmelkäse ist eine Rarität. Dennoch gibt es (neben dem Blauen Jakob) einige Sorten, die sich sehen lassen können. Hier ein paar Beispiele:

• Blauer Genuss-Zauber, Käserei Hofstetter, Ruswil (LU): Rahmkäse aus Kuhmilch
• Blauer Schalkino, Käserei Camenzind, Schalchen (ZH): Weichkäse aus thermisierter Milch
• Blauer Seeländer, vom Schafhirt, Detlingen (BE): Weichkäse aus Schafmilch
• Bleuchâtel, Käserei Les Martel, Les Ponts-de-Martel (NE): Halbharter Käse aus pasteurisierter Milch
• Bleu de Combremont, Käserei Hanke SA, Combremont-le-Petit (VD): Doppelrahmkäse aus thermisierter Kuhmilch. Andere Blauschimmelkäse derselben Käserei: Fleur bleue
• Bleu de la Gruyère, Molkerei Pont-la-Ville, Pont-la-Ville (FR): Rahmkäse aus Kuhmilch
• Bleu du Village, Käserei Pomy, Pomy (VD): Halbharter Käse aus thermisierter Kuhmilch
• Jersey Blue, Städtlichäsi Lichtensteig (SG): Weichkäse aus Rohmilch der Jersey-Kuh. Andere Blauschimmelkäse derselben Käserei: Blauer Büffel, aus Büffelmilch.
• Mürgu, Käserei Jumi, Boll (BE): Halbharter Käse aus Rohmilch. Andere Blauschimmelkäse derselben Käserei: Blaus Hirni, Blaue Meise, Blauer Schnee, Sommerhimu, Pixel…
• Tomme au bleu, Käserei Villars-Burquin (VD): Weichkäse
• Ul Bleu Ticines, Fattoria del Faggio, Sonvico (TI): Weichkäse aus Ziegenmilch

 

Sauerstoff lässt den Blauschimmel gedeihen

Mittlerweile ist die Molke aus dem Käsekessel abgepumpt. Häni verteilt die Käsebruchstücke vorsichtig in runde Kunststoffformen. Dort wird der Käse in den nächsten Stunden fest. Kollege Ädu schiebt einen Wagen mit älteren Laiben herbei – sie sind bereits aus der Form gestülpt. "Den Käse von gestern müssen wir jetzt salzen", erklärt Häni. "Das Salz zieht das überschüssige Wasser heraus, so wird der Käse schneidfest." Den Laiben von vorgestern blüht eine andere Behandlung. Häni schafft das nächste Gerät heran: eine Stechmaschine. "Damit der Blauschimmel im Käse wachsen kann, braucht es Sauerstoff. Wir müssen den Käse einstechen."

Von purer Nachlässigkeit zu einer wahren Kunst

So weit, so geregelt. Im Gegensatz dazu entstanden die ersten Blauschimmelkäse wohl aus purer Nachlässigkeit. "Wird Hartkäse nicht regelmässig geschmiert und gepflegt, gibt es Risse, die Sauerstoff einlassen", erklärt Häni. Ist es dann noch kühl und feucht im Reifungskeller, haben Blauschimmelsporen leichtes Spiel. Zu solchen Idealbedingungen sind wir jetzt unterwegs: zum Reifungskeller für den "Blauen" vorbei an Wiesen und Kühen ins Nachbarsdorf Lüterswil. Dort sollen die fertig gestochenen Blauschimmelkäse während rund drei Wochen reifen – bei 14 Grad und einer Luftfeuchtigkeit von 93 Prozent. "In dieser Flora wächst der eingeimpfte Blauschimmel so schnell, dass andere Schimmelarten keine Chance haben", sagt Häni. "Das ist wichtig, denn die Entstehung von Fremdschimmel ist eine der grössten Gefahren bei der Herstellung von Blauschimmelkäse."

Die Stechmaschine / Abfüllen der Käsebruchstücke
Die Stechmaschine / Abfüllen der Käsebruchstücke

Tüfteln auf Italienisch

Auch wenn der Käse dann ausgereift ist – das Blauschimmelrezept ist es für Tüftler Oskar Häni nie. "Ich schlage mir ganze Nächte mit YouTube-Videos um die Ohren." Darin beobachtet er, wie die Italiener die Molke auf Gasetüchern vom Käsebruch abfliessen lassen oder den Käse nur aussen, nicht aber die Bruchstücke selber salzen. Wird er so noch cremiger? Häni experimentiert, was seine Infrastruktur hergibt. Sein Ziel: eine ultracremige Blauschimmel-Variante à la Gorgonzola Dolce. Fehlt nur noch eine gute Geschichte.