Büffel zwischen Wasserplausch und Weide-Job

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Gschicht vo hie

Büffel zwischen Wasserplausch und Weide-Job

Die Büffel vom Brunnenhof haben einen Beruf: Sie sorgen als Landschaftspfleger dafür, dass Naturschutzgebiete nicht verbuschen. Ihren wohlverdienten Feierabend geniessen sie am liebsten wie wir – in der Badi.

Gwundrige Exoten 

Wasserbüffel sind genügsam. Sie fressen fast alles: Gras, Heu, gröbere Kräuter und Gewächse, sogar Schilf – und offenbar auch meinen Hemmlizipfel. Während ich ein Tier hinter den Hörnern kraule, schnappt ein anderes unbemerkt nach dem Stoff. Sepp Villiger schiebt es sanft beiseite und sagt schmunzelnd: "Büffel sind gwundrig – und sie fressen dir wirklich das Hemd vom Leib!" Sepp ist Herr über mehr als 100 dieser in der Schweiz immer noch recht exotischen Tiere. Gemeinsam wohnen sie auf dem Brunnenhof bei Sins im Aargau, hoch über dem Reusstal. 

Wasserbüffel in der Schweiz

In der Schweiz sind Wasserbüffel erst seit den 90er-Jahren als Nutztiere verbreitet. Die heute hier lebenden Tiere wurden aus Italien oder Rumänien importiert, wo sie seit rund 500 Jahren heimisch sind. Ursprünglich stammen Wasserbüffel aber aus Asien. Dort werden sie schon seit mehreren tausend Jahren als Arbeitstiere oder als Milch- und Fleischlieferanten gehalten. 

Büffel mit Beruf 

Eine Gruppe trächtige Büffelkühe blinzelt auf einer Weide unterhalb des Hofes in die Morgensonne, die Kälbchen dösen im luftigen Stall, ein Dutzend halbwüchsige Tiere geniesst die Kühle einer schattigen Wiese. Doch wie fast immer ist auch ein beträchtlicher Teil der Herde ausgeflogen. Die Brunnenhofbüffel haben nämlich einen Beruf: Landschaftspflege. Sepp erklärt: "Tiere, die aktuell nicht gemolken werden müssen, setzen wir für sogenannte Beweidungsaufträge ein, oft in Zusammenarbeit mit Gemeinden oder Naturschutzorganisationen." 

Büffel kommen auch mit feuchten oder mageren Standorten klar.

Grasen statt mähen 

Ein Team von sieben Büffeln ist aktuell in der Auenlandschaft am Klingnauer Stausee im Einsatz, etwa 15 Stück am Flachsee bei Rottenschwil und eine weitere Handvoll am Bibersee bei Cham. Wenn die Tiere die Wiesen abgrasen, braucht es kein schweres Gerät fürs Mähen und den Heutransport – und die Naturschutzgebiete werden trotzdem vor Verbuschung geschützt. "Weil sie so anspruchslos sind, eignen sich Büffel perfekt für solche mageren Standorte. Und sie vertragen im Gegensatz zu Hausrindern problemlos Wasser und nassen Untergrund", weiss Sepp. 

Erfrischendes Vollbad für die 600-Kilo-Kolosse
Erfrischendes Vollbad für die 600-Kilo-Kolosse

Die Büffel-Badi 

Wasser ist sogar besonders wichtig für die Tiere, denn sie können ihre Körpertemperatur kaum übers Schwitzen regulieren. Sie kühlen sich ab, indem sie auf der Weide Suhlen graben, wo sich nach und nach Regenwasser sammelt. Bei Sepp auf dem Brunnenhof kommen die Tiere zudem regelmässig in den Genuss eines Vollbades. "Das Tierschutzgesetz schreibt vor, dass Büffel sich ab 24 Grad im Wasser abkühlen können müssen. Dafür haben wir ihnen ein eigenes Bassin gebaut." Im Sommer stürzen sich die gut und gerne 600 Kilogramm schweren Kolosse fast täglich ins kühle Nass. Und ja: Für diejenigen Büffel, die lieber auf einen Badibesuch verzichten, gibt es alternativ eine Duschvorrichtung im Stall. 

Mir gefällt, dass die Büffel keine hochgezüchteten Tiere sind.

Sepp Villiger, Biolandwirt und Büffelhalter

Imposantes Hornkleid

Wenn sie nicht beim Wasserplausch oder auf der Weide sind – je nach Temperatur auch nachts –, wohnen die Büffel in einem offenen Stall. Hier haben sie genügend Platz, um Rangkämpfen aus dem Weg zu gehen. Sepp erklärt: "So versuchen wir, Verletzungen zu vermeiden. Denn alle unsere Büffel tragen ein imposantes Hornkleid." In den Futtertrögen liegt Gras und Heu. Auf Kraftfutter verzichtet man auf dem Brunnenhof. "Mir gefällt, dass die Büffel keine hochgezüchteten Tiere sind", meint Sepp. Sie geben rund dreimal weniger Milch als Rinder. Dafür ist ihre Milch deutlich fett- und proteinreicher als die ihrer Verwandten. 

Im Futtertrog liegt Heu und Gras.
Im Futtertrog liegt Heu und Gras.

Mozzarella di bufala alla svizzera 

Sepp ist Biolandwirt und bewirtschaftet den Brunnenhof schon in sechster Generation. Viele Jahre hat er Rinder gehalten, vor rund 15 Jahren sind dann die ersten Wasserbüffel auf dem Hof eingezogen. Ausschlaggebend war ein Kollege von Sepp, der ihm ab und zu Kälber zur Aufzucht vorbeibrachte. "Würdest du auch Büffel nehmen?", habe dieser gefragt. Sepp wagte das Experiment. "Mich hat vor allem motiviert, dass etwa 80 Prozent des Büffelmozzarellas in der Schweiz aus Italien stammt – das wollte ich ändern", sagt er. 

Aus Büffelmilch wird Käse, aus dem Fleisch wird Wurst. 

Heute produziert er zusammen mit einer regionalen Käserei nicht nur Mozzarella di bufala, sondern auch den halbharten Aargauer Büffelkäse, einen Weissschimmelkäse und geräucherte Spezialitäten wie Scamorza und Fumarone. Im "Büffel-Lädeli" auf dem Hof gibt es all das zu kaufen – und mehr: Denn auch das Fleisch der Tiere wird verwertet und zu Trockenwürsten, Jerky, Saftplätzli oder Hacktätschli verarbeitet. 

Ohne Neugier geht es nicht 

Wer Büffel halten will, müsse neugierig sein, findet Sepp – neugierig auf eine neue Tierart, aber auch neugierig auf einen neuen Markt. "Es ist nicht wie bei Kuhmilch und Rindfleisch, wo die Vermarktungsstrukturen seit Jahrzehnten etabliert sind. Bei mir kommt kein Lastwagen vorbei, der die Milch abholt." Sepp muss sich um vieles selber kümmern. Unterstützt wird er dabei von seiner Familie – insbesondere von seiner Frau Edith und seinem Sohn Jeremias, der mit seiner Familie kürzlich auf den Hof zurückgekehrt ist und den Betrieb dereinst übernehmen will. 

Es schadet nicht, wenn man als Büffelhalter selber ein bisschen ein Büffel ist.

Sepp Villiger, Biolandwirt und Büffelhalter

Gemeinsamkeiten von Halter und Tier 

Der Betrieb und seine vierbeinigen Bewohner wecken Interesse. Auf dem Brunnenhof finden regelmässig Führungen oder Angebote im Rahmen von "Schule auf dem Bauernhof" statt. "Diesen Gästen erzähle ich gerne, dass es nicht schadet, wenn man als Büffelhalter selber ein bisschen ein Büffel ist", sagt Sepp mit einem Augenzwinkern. Was er damit meint? "Die Tiere und ich, wir haben ein spezielles Wesen und einen starken Charakter – sind aber eigentlich ganz sanft." 

Sepp ist Herr über mehr als 100 Wasserbüffel.
Sepp ist Herr über mehr als 100 Wasserbüffel.