Milch oder Pflanzendrinks: Was ist die bessere Wahl?

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Milch oder Pflanzendrinks: Was ist die bessere Wahl?

Du möchtest dich gesund ernähren und fragst dich, ob du besser zu Milch oder Pflanzendrinks aus Hafer, Mandel, Soja und Co. greifen solltest? Hier erfährst du den aktuellen Stand der Wissenschaft.

Was ist die bessere Wahl? Fakten statt Meinungen 

Von Hafer über Mandel bis Soja – in jedem Laden findest du mittlerweile zig Pflanzendrinks gleich neben der Milch. Die Milch ist dafür bekannt, dass sie viele Nährstoffe in guter Qualität enthält, v.a. Kalzium und Protein. Trotzdem sollen Pflanzendrinks nicht nur nachhaltiger und verträglicher sein als Milch, sondern auch besser für die Gesundheit. Aber sind Pflanzendrinks tatsächlich die bessere Wahl? Welche Nährstoffe und in welcher Qualität stecken in Milch und Pflanzendrinks? Möchtest du wissenschaftliche Zahlen und Fakten? Die bekommst du hier.

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Sind Pflanzendrinks so nachhaltig wie Milch?

Das sagt die aktuelle Forschung.

  • Wie wirkt sich der Konsum von Milch und Pflanzendrinks auf die Nährstoffversorgung unseres Körpers aus? Können uns Pflanzendrinks mit denselben wertvollen Nährstoffen versorgen wie die Milch? Das hat eine aktuelle Studie (2022) untersucht.
  • Barbara Walther, Leiterin der Forschungsgruppe Humanernährung, Sensorik und Aroma bei Agroscope, und ihr Team haben den Nährstoffgehalt von 27 Pflanzendrinks aus acht Kategorien (Hafer-, Soja-, Mandel-, Cashew-, Kokosnuss-, Hanf-, Reis- und Dinkeldrinks) mit Kuhmilch (3,5% Fett, zwei Proben) verglichen.
  • Ein so detaillierter Vergleich ist sinnvoll, denn: Die diversen pflanzlichen Drinks unterscheiden sich stark im Gehalt und der Zusammensetzung ihrer Nährstoffe. Schon der Rohstoff – Hafer, Soja, Reis, Mandel … – spielt eine entscheidende Rolle.
  • Untersucht wurde nicht nur die Menge an Makro- und Mikronährstoffen, sondern auch die Qualität, in welcher die Nährstoffe unserem Körper zur Verfügung stehen.

Hier findest du die gesamte Studie zum Nachlesen (in Englisch).

Kurz erklärt: Makro- und Mikronährstoffe

Die Nährstoffe, die wir dem Körper über die Nahrung zuführen, können in Makro- und Mikronährstoffe unterteilt werden. Hauptbestandteil von Lebensmitteln sind immer die Makronährstoffe Kohlenhydrate, Fette und Proteine. Zu den Mikronährstoffen gehören Vitamine (z. B. B12), Mineralstoffe (z. B. Kalzium und Magnesium) und Spurenelemente (z. B. Jod) des Lebensmittels, die für viele lebensnotwendige Funktionen in unserem Körper verantwortlich sind.

1. Makronährstoffe

Die Studie hat die drei Makronährstoffe Proteine, Fette und Kohlenhydrate in Milch und Pflanzendrinks genau unter die Lupe genommen. Die folgende Grafik zeigt dir exemplarisch für fünf Pflanzendrinks und Milch, wo durchschnittlich wie viel drinsteckt. Vollmilch weist im Vergleich zu den Pflanzendrinks den gesamthaft höchsten Gehalt an Makronährstoffen auf. Das heisst: Sie versorgt unseren Körper besser mit Nährstoffen als die Pflanzendrinks. Zudem unterscheidet sich auch die Qualität der Makronährstoffe in der Milch von denjenigen der Pflanzendrinks. Weshalb das entscheidend ist, erfährst du gleich.

Durchschnittlicher Gehalt an Makronährstoffen (Walther et al., 2022, Table 1)

Durchschnittlicher Gehalt an Makronährstoffen (Walther et al., 2022, Table 1)

Makronährstoff Protein im Vergleich

Du siehst: Milch enthält mehr Protein (32,6g/kg) als die getesteten Pflanzendrinks, wie z. B. der Haferdrink (4,6g/kg). Einzige Ausnahme: der Sojadrink (37,8g/kg). Neben dem Gehalt ist auch die Qualität des Nahrungsproteins entscheidend. Also die Frage: Wie kann der Körper das aufgenommene Protein verwerten? Das hängt von zahlreichen Faktoren ab. Die Wissenschaft fasst die verschiedenen Faktoren zu Kennzahlen zusammen, die auf einen Blick zeigen, wie gut der Körper aus dem Protein des Lebensmittels körpereigene Proteine aufbauen kann.

So misst die Wissenschaft die Proteinqualität.

Es gibt verschiedene Methoden, um die Qualität von Proteinen zu bewerten. Eine in der Fachwelt mittlerweile etablierte Messmethode ist der sogenannte DIAAS (Digestible Indispensable Amino Acid Score). Wir erklären diese komplexe Messmethode hier möglichst kurz und bündig: Proteine sind wichtige Bausteine für unseren Körper. Sie bestehen aus verschiedenen Aminosäuren. Die verschiedenen Aminosäuren braucht der Körper, um körpereigene Proteine bilden zu können. Es gibt 21 verschiedene Aminosäuren und unser Körper kann neun davon nicht selbst produzieren. Daher müssen wir diese neun Aminosäuren über die Nahrung zu uns nehmen. Proteine mit einem DIAAS von über 100 haben eine optimale Proteinqualität und liefern dem Körper alle benötigten Aminosäuren in genügender Menge. Klingt kompliziert? Ist auch ein komplexes Thema. Was du wissen musst: Je höher der DIAAS-Wert, desto besser kann das Protein dem Körper die nötigen Aminosäuren liefern und vom Körper weiterverwertet werden.

Getränk

DIAAS (%)

Kuhmilch

145

Sojadrink

107.6

Cashewdrink

78.8

Kokosnussdrink

71.9

Haferdrink

59.1

Hanfdrink

55.2

Reisdrink

43.1

Dinkeldrink

41.0

Mandeldrink

39.0

DIAAS-Werte von Milch und Pflanzendrinks. Angaben für Kinder < 3 Jahre, junge Erwachsene und Erwachsene. (Walther et al., 2022, Table S4)

DIAAS-Werte von Milch oder Pflanzendrinks

Die Tabelle zeigt es: In Sachen Proteinqualität gibt es grosse Unterschiede zwischen Milch und Pflanzendrinks. Das in Milch und Milchprodukten enthaltene Protein liefert dem Körper alle nötigen Aminosäuren in genügender Menge und so kann der Körper diese optimal in körpereigene Proteine umwandeln. Daher der hohe DIAAS-Wert. Das Protein der meisten Pflanzendrinks kann hingegen nicht alle nötigen Aminosäuren in genügender Menge zur Verfügung stellen und unser Körper kann dieses so schlechter verwerten als das Milchprotein. Daher lohnt sich nicht nur der Blick auf den Proteingehalt, sondern auch auf dessen Qualität.

Protein: ein Thema für Kinder und ältere Erwachsene

Fragst du dich, ob denn die Proteinversorgung überhaupt ein Problem für uns ist? In westlichen Ländern wie der Schweiz haben Erwachsene, die sich ausgewogen ernähren, normalerweise keinen Proteinmangel. Es gibt aber auch bei uns Personengruppen, für die eine ausreichende Proteinaufnahme besonders wichtig ist. Dazu gehören Kinder und ältere Personen. Denn wenn eher kleine Portionen gegessen werden, ist es umso wichtiger, dass die Proteinqualität stimmt, damit z. B. die Muskeln optimal erhalten bleiben, wachsen oder sich regenerieren können. Besonders diese beiden Personengruppen können also von der hohen Qualität des Milchproteins profitieren.

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Tierische & pflanzliche Proteine: Der Mix machts.

Makronährstoff Fett im Vergleich

Die Studienergebnisse: Einige Pflanzendrinks haben einen ähnlich hohen, andere einen etwas geringeren Fettanteil als die Milch. Aber Milch und Pflanzendrinks haben nicht nur unterschiedliche Fettmengen, sondern auch andere Fett-Zusammensetzungen. Der Fettanteil lässt sich in verschiedene Fettsäuregruppen unterteilen: gesättigte, einfach ungesättigte und mehrfach ungesättigte Fettsäuren.

Omega -3 und -6: Aufs Verhältnis kommts an.

Bei den mehrfach ungesättigten Fettsäuren wird zwischen den entzündungshemmenden Omega-3- und den entzündungsfördernden Omega-6-Fettsäuren unterschieden. Da unser Stoffwechsel die Omega-6- und Omega-3-Fettsäuren mit demselben Enzymsystem verarbeitet, sollte das Omega-6-zu-Omega-3-Verhältnis ausgewogen sein, idealerweise 1:1. Das Studienergebnis: Milch hat mit einem Verhältnis von (2-3):1 das niedrigste und somit vorteilhaftere Verhältnis als alle Pflanzendrinks. Der Sojadrink (7-8):1 schneidet von allen Pflanzendrinks am besten ab.

Tipp: Achte aufs Sonnenblumenöl.

Fragst du dich, warum viele Pflanzendrinks so viele Omega-6-Fettsäuren haben? Dies könnte am Sonnenblumenöl liegen, so die Forschenden. Denn Sonnenblumenöl enthält viele Omega-6-Fettsäuren und wird Pflanzendrinks teils zugegeben – z. B., um diese ähnlich cremig und gut schäumbar zu machen wie Kuhmilch.

Fett & Cholesterin

Omega-3, Omega-6 - Fettsäuren verständlich erklärt

Die Sache mit den gesättigten Fettsäuren

Milch enthält einen hohen Anteil an gesättigten Fettsäuren. Diese galten lange Zeit als ungesund und ungünstig für den Cholesterinspiegel und als begünstigend für Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Diabetes mellitus Typ 2. Auch hier hilft ein Blick auf die Fakten: Ein Zusammenhang gilt nach heutigem Wissenschaftsstand als nicht bewiesen und Milch und Milchprodukte haben keinen negativen Einfluss auf die Herz-Kreislauf-Gesundheit.

Dürfen Getränke aus Soja, Reis und Co. "Milch" heissen? Das sagt das Gesetz.

Die schweizerische Lebensmittelverordnung legt fest, dass der Begriff Milch ausschliesslich der durch Melken gewonnenen Milch vorbehalten ist – dies gilt sogar europaweit. Getränke aus Soja, Hafer, Reis oder Nüssen dürfen deshalb von Gesetzes wegen nicht als Milch bezeichnet werden. Auch wenn die Milch von einer anderen Tierart stammt – etwa von einem Schaf oder einer Ziege –, muss das auf der Verpackung entsprechend deklariert werden, als Schaf- oder Ziegenmilch.

Makronährstoff Kohlenhydrate im Vergleich

Als dritten Makronährstoff haben die Forschenden die Kohlenhydrate von Milch und Pflanzendrinks verglichen. Milch enthält 50,3g Kohlenhydrate pro kg in Form von Milchzucker (Laktose). Pflanzendrinks enthalten v.a. Glukose und Saccharose (Haushaltszucker). Die Bandbreite des durchschnittlichen Gehalts reicht hier von 13g/kg (Mandeldrink) bis 49,5g/kg (Dinkeldrink).

Auch beim Zucker entscheidet das Wie.

Du ahnst es: Auch bei den Kohlenhydraten entscheidet neben der Menge die Frage: Was passiert mit dem Zucker in unserem Körper? Hier kommt der glykämische Index (GI) ins Spiel. Der GI beschreibt, wie ein kohlenhydrathaltiges Lebensmittel auf unseren Blutzuckerspiegel wirkt. Je kleiner der GI, desto weniger und langsamer steigt der Blutzuckerspiegel. Eine Ernährung, die reich an Zuckern mit hohem GI ist, steigert das Risiko von Adipositas, Herzkreislaufkrankheiten und Diabetes Typ 2. Deshalb sollen Lebensmittel mit einem hohen GI auch nur in geringen Mengen konsumiert werden.

Milch lässt den Blutzucker langsamer steigen.

Die in der Milch enthaltene Laktose hat einen tieferen GI (46) als die zum Teil in Pflanzendrinks enthaltene Saccharose (61). Zudem hat der relativ hohe Anteil an Proteinen und Fett in der Milch ebenfalls eine günstige Auswirkung auf den GI. Sie helfen mit, dass der Blutzucker weniger schnell und hoch ansteigt. Pflanzendrinks enthalten keine Laktose und sind daher für Menschen mit einer Laktoseintoleranz gut verträglich. Hast du aber gewusst, dass es auch laktosefreie Milch gibt? Damit umgehst du die Beschwerden und kannst zudem von der Nährstoffvielfalt der Milch profitieren.

Laktoseintoleranz

So wird laktosefreie Milch hergestellt.

2. Mikronährstoffe

Beim Gehalt von Mikronährstoffen unterscheiden sich die Pflanzendrinks erheblich von der Milch. Milch ist eine deutlich reichhaltigere Nahrungsquelle von Mikronährstoffen wie Kalzium, Jod, B2, Pantothensäure und Biotin als Pflanzendrinks. Die Pflanzendrinks können uns, je nach Sorte, hingegen mit mehr Vitamin E, Folsäure, Eisen und Zink versorgen. Um den Mikronährstoffgehalt demjenigen der Milch anzugleichen, werden Pflanzendrinks häufig mit Kalzium und teilweise mit Vitamin B2, B12 oder D angereichert. Angereichert oder nicht: Die Unterschiede der getesteten Pflanzendrinks in Sachen Mikronährstoffe sind riesig. Aber: Auch bei den Mikronährstoffen kommt es nicht nur auf die Menge an, sondern wie gut unser Körper diese aufnehmen kann. Ob die angereicherten Nährstoffe die Qualität der natürlichen Nährstoffe in der Milch erreichen, ist noch in Erforschung.

Beispiel Kalziumaufnahme

Ein Mikronährstoff-Beispiel wurde bereits erforscht: Analysiert wurde ein Sojadrink, welchem Calciumphosphat zugesetzt worden war. Die Untersuchung kam zu folgendem Resultat: Der Körper konnte das zugesetzte Calciumphosphat im angereicherten Pflanzendrink um 25% schlechter aufnehmen als das Kalzium der Milch. Unser Körper kann etwa 40% des in der Milch enthaltenen Kalziums aufnehmen. Begünstigt wird das durch die natürliche Zusammensetzung der Milch.

Problem "Antinährstoffe"

Ausserdem enthalten Pflanzendrinks sekundäre Pflanzenstoffe, die einen negativen Einfluss auf die Nährstoffaufnahme haben können. Beispielsweise hemmt die v. a. in Hülsenfrüchten und Getreide enthaltene Phytinsäure die Aufnahme von anderen, ebenfalls im Lebensmittel enthaltenen Mikronährstoffen. Solche sekundären Pflanzenstoffe mit hemmender Wirkung auf die Nährstoffaufnahme werden "antinutritive Stoffe" oder "Antinährstoffe" genannt.

Aus ernährungswissenschaftlicher Sicht sind Pflanzendrinks keine Alternative zu Kuhmilch.

Ernährungswissenschaftlerin Dr. Barbara Walther von Agroscope

Gesamtfazit der Forschenden:

  • Die Nährstoffzusammensetzung der untersuchten Pflanzendrinks ist vielfältig, unterscheidet sich aber stark von jener der Milch.
  • In Bezug auf die drei Makronährstoffe (Kohlenhydrate, Fett und Protein) punktet die Milch im Vergleich zu den Pflanzendrinks. Sie versorgt unseren Körper einerseits besser mit Nährstoffen. Andererseits überzeugt sie auch bzgl. der Qualität der Nährstoffe, also dabei, wie unser Körper diese aufnehmen und verwerten kann.
  • Einzelne für die Milch typische Mikronähstoffe werden in den Pflanzendrinks angereichert. Zu einer genügenden Versorgung ist nicht nur die Menge, sondern auch die Qualität der Nährstoffe wichtig. Unklar ist, wie gut die zugesetzten Nährstoffe in Pflanzendrinks vom Körper aufgenommen werden können.
  • "Aus ernährungswissenschaftlicher Sicht sind Pflanzendrinks keine Alternative zur Kuhmilch. Wer Milch mit Pflanzendrinks vollständig ersetzt, muss dies in der Gesamternährung berücksichtigen", so das Fazit von Dr. Barbara Walther.