
"Wir machen einfach den besten Käse der Welt."

"Wir machen einfach den besten Käse der Welt."
Von sexy Männern, schönen Stränden und feinem Käse
Natürlich gibt es die Mona Lisa von Leonardo da Vinci, Jonathan Bailey, den "Sexiest Man Alive", und den Baia do Sancho in Brasilien, der als der schönste Strand der Welt gilt. Und wir haben seit Kurzem den "Gruyère AOP Vorderfultigen Spezial", der zum besten Käse der Welt gekürt wurde. Alles in Ordnung so weit. Mit Sicherheit hat oben erwähntes Gemälde seinen Ehrenplatz verdient, auch Herr Bailey sieht, soweit ich das als Mann beurteilen kann, durchaus attraktiv aus. Den Strand in Brasilien kenne ich nicht und den Hartkäse aus dem Kanton Bern habe ich noch nicht probieren können. Aber ich bin überzeugt, dass Ersterer einmalig schön und Letzterer sehr lecker ist.
Verborgene Schönheit
Nur ist es halt so, dass sowohl bei Kunstwerken, Männern, Stränden und auch beim Käse nie nur eines oder einer heraussticht. Vielmehr gibt es – zum Glück – in jeder Kategorie stets viele, die es verdient hätten, an der Spitze zu stehen. Wahre Schönheit offenbart sich oft im Verborgenen, heisst es doch. So durfte ich dieses Jahr bereits den Bloderkäse aus dem Obertoggenburg, den Musikkäse von Beat Wampfler und den schweizweit einzigen Alpziger der Familie Fischli kennenlernen.
Paradiesische Sortenvielfalt
Die Krönung meiner Genusstour offenbart sich mir in Bern, wo über 5000 (!) Käsesorten für drei Tage an einem Ort zur Schau gestellt wurden. Statt in den hintersten Ecken der Schweiz nach Exklusivitäten zu suchen, findet man sie am World Cheese Festival an einem Ort versammelt. Das Paradies für Käsegeniesser schlechthin. Mein Augenmerk beziehungsweise mein Gaumen führt mich nicht nur zu den Käsen, die am Wettbewerb teilnehmen. Vielmehr lohnt sich ein Blick auf das ganze Festival, wo unzählige Köstlichkeiten zu sehen und probieren sind.

Mit "Affineur Walo" und seinem preisgekrönten Hobelkäse
Ein Hoch auf die Blumenwiese
Erstes Highlight: Der Berner Oberländer Hobelkäse AOP. Hauchdünn geschnitten offenbart er seinen angenehm salzigen Geschmack, bei dem man die Blumenwiese auf der Alp und das Holzfeuer der Alpkäserei förmlich riechen kann. Am Stand steht Walo von Mühlenen, Affineur mit Leidenschaft und bereits die vierte Generation, die die "Faszination des Rohmilchkäse" zelebriert. "Affineur Walo" hat mit seinen Produkten bereits mehrere Preise einheimsen können. Mich überzeugt einfach das, was mein Gaumen wahrnimmt.
Auch England kann Käse
Nicht nur die Schweiz kann Käse: Das zeigt sich beim Degustieren des Colston Bassett Stilton, ein cremig-zarter und zugleich würziger Blauschimmelkäse aus Bath im Süden Englands. "Alles ist von Hand gemacht, damit bleibt der Käse cremig", erklärt Michael abwechselnd auf Englisch und Französisch. Seine frankophonen Wurzeln wirken sich positiv auf die Qualität seiner Produkte aus, schliesslich gehört unser westlicher Nachbar bei Weichkäse zum Branchenprimus.

Cremig-zart und würzig – und natürlich von Hand gemacht
Emmentaler: Was lange währt …
Dafür sind wir Helvetier unschlagbar, wenn es um Hartkäse geht. Das zeigt sich beim Stand der Dorfchäsi Hofer Aarwangen. Der Emmentaler lag 21 Monate im Keller und das hat ihm mehr als nur gutgetan. Der leicht nussige Geschmack, die feine Säure – perfekt. Die Reifung eines guten Laibs sei nie fertig, erklärt Käsermeister Thomas Hofer und spricht von langsamer Reifung, Eiweissabbau, Aminosäuren und freier Fettsäure. "Einfach huere spannend", so sein Resümee. Ja, diese Leidenschaft ist im Käse riechbar.
Fondue aus dem Aargau
Obwohl wir in der Schweiz rund 23 Kilogramm Käse pro Jahr konsumieren, nimmt die Zahl der Käsereien ab. Im Kanton Aargau seien sie die zweitletzte traditionelle Käserei, versichert mir Fabian Spielhofer am Stand der Brülisauer Käse AG aus Künten. Das Fondue hat eine feine Säure und eine leichte Kirschnote, ist mild und doch geschmacklich interessant.

SO muss ein Fondue schmecken ...
Geissen-Käse mit dem gewissen Etwas
Bei der Fromagerie "O'Lait" gluschtet mich der "Etienne", ein Geissen-Frischkäse mit Aschemantel. Der Andrang der Besuchenden ist so gross, dass ich warten muss. Wenn man Ziegenkäse mag, lohnt sich die Geduld – der Käse ist herrlich mild und frisch, der leichte Duft nach Asche gibt ihm das gewisse Etwas.


Ein Hoch auf die Neugier
Es gäbe noch viel mehr zu entdecken, die Vielfalt an Käse ist eindrücklich, überwältigend und für Geniesser ein wahres Paradies. Das Leben ist zu kurz für langweilige Massenware mit einheitlicher Geschmacklosigkeit. Darum lohnt sich ein Blick hin zu den Produkten, die nicht zu den "Bestsellern" oder Preisträgern gehören.
Mein Fazit: Was duftende Blumenwiesen, abgebrühte Älpler:innen, feuchte Keller, findige Käsermeister und vor allem Unmengen an Bakterien zustande bringen, haut mich immer wieder aus den Socken. Geht es um Käse, dann kommen Menschen mit neugierigen Geschmacksnerven und kulinarischer Entdeckungsfreude definitiv auf ihre Rechnung.
