Der mit den Bakterien tanzt

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Gschicht vo hie

Der mit den Bakterien tanzt

Mit «Musikkäse» löste Beat Wampfler eine Mediensensation aus. Wer glaubt, dass es heute ruhiger geworden ist um die Käsebeschallung, irrt. Das Interesse aus der ganzen Welt ist anhaltend – ebenso die Töne im Käsekeller.

Mögen die Bakterien tatsächlich Musik?

Nicht nur der Wirrwarr an Tönen im Käsekeller von Beat Wampfler überfordert den Besucher im ersten Moment. Auch er selbst ist eine Wucht. Kaum angekommen, legt er los, erzählt von Bakterien, die, statt sie zu bekämpfen, uns helfen könnten, die Welt zu retten. Aber davon später mehr. Der gewölbte Keller beherbergt eine Vielzahl von Käselaiben. Kleine Böxli sind unter dem Käse im hölzernen Boden angebracht, jeder Laib wird aus nächster Nähe individuell beschallt. Man hört Mozart’s kleine Nachtmusik, HipHop, Rock, Volksmusik, alles wild durcheinander.

Unstrukturiert, ohne Businessplan

Angefangen hat alles mit einem Kunstprojekt der Berner Fachhochschule im Jahr 2018. Der Tierarzt Beat Wampfler hatte kürzlich das Käsehaus K3 in Burgdorf eröffnet. Oben finden Konzerte statt, unten im Keller reift Käse. "Eine unstrukturierte Idee ohne Businessplan", sagt dieser und grinst. Er sei da einfach hineingerasselt, fügt er an. Die Wissenschaftler überzeugte er von der Idee, dass Bakterien von Geräuschen beeinflusst werden. Das Forschungsprojekt löste ein gewaltiges Medienecho rund um den Globus aus. "Es war und ist unglaublich", sagt Beat Wampfler. "Ich dachte, es hört dann irgendwann mal auf mit den Medien, aber es geht immer weiter. Wenn man "Hip-Hop" und "Käse" googelt, erscheinen zwanzig Millionen Treffer."

Eine unstrukturierte Idee ohne Businessplan

Beat Wampfler

Geschmack: hinreissend 

Eins ist sicher: Der Emmentaler, den ich degustierte und der monatelang mit Musik vor sich hinreifen durfte, schmeckt: hinreissend. Die typische, leicht nussige Emmentalernote rückt dezent in den Hintergrund, dafür macht sich ein leichter, Gruyère-ähnlicher Geschmack bemerkbar. Ich bin entzückt, versuche dennoch kritisch zu bleiben. Ist die Musik nicht einfach ein PR-Gag? Schliesslich befinden wir uns in einem Keller, in dem der Sandsteinboden bis ins Grundwasser hineinreicht und deshalb ideale Bedingungen herrschen. Konstant feucht und kühl. Zudem werden die Käse hier im Schnitt 18 Monate gelagert, also deutlich länger als üblich.  

Himmlisch, was die Musik mit dem Emmentaler macht. 

Himmlisch, was die Musik mit dem Emmentaler macht. 

Jetzt mal ehrlich: Ist was dran? 

"Ja, das spielt sicher auch eine wichtige Rolle, warum der Käse geschmacklich überzeugt", sagt Beat Wampfler, der sogleich betont, dass er selbst den Ausdruck "Käsekünstler", mit dem er zuweilen betitelt wird, nicht so mag. "Ich bin ein Käseliebhaber mit ausgefallenen, non-konformen Ideen. Der Mumentaler, der Gerber und der Klötzli sind meine goldenen Engel. Drei pensionierte Käser, die hier die Affinage machen. "Schön und gut, aber hat die Musik nun einen Einfluss auf den Käse oder nicht? "Nicht nur die Berner Fachhochschule, auch Agroscope erforscht diese Thematik und geht etwa der Frage nach, welchen Einfluss Hip-Hop auf den PH-Wert von Milch hat. "Sicher sei, dass Mikroorganismen auf Schallwellen reagieren. "Gewisse Bakterienstämme vermehren sich stärker, wenn sie beschallt werden. Wir verändern damit das Biom vom Käse, also die Masse aller Mikroben und beeinflussen seine Flora."  

Beat Wampfler ist nicht nur Kreativkopf und Tüftler, sondern auch ein grosser Käseliebhaber. 

Beat Wampfler ist nicht nur Kreativkopf und Tüftler, sondern auch ein grosser Käseliebhaber. 

Würziger, süsslicher 

Das leuchtet ein, auch ohne Lebensmittelwissenschaft studiert zu haben. Aber welche Musik wirkt wie, warum hat offenbar Hip-Hop eine starke Wirkung auf Käse? Gute Erfahrungen macht Beat Wampfler mit kräftiger Musik, etwa mit Rock. "Wir haben festgestellt, dass tiefe Frequenzen, also Musik mit ausgeprägten Bässen, mehr bewirkt. Der Käse wird würziger, etwas süsslicher und die Reifung beschleunigt sich." Kürzlich hat er für die Basler Fasnacht einen Käse mit der typischen Guggenmusik mit Piccolo-Flöten beschallt. Eine Mutter bestellte für ihren Sohn einen Käse, der mit Johann Sebastian Bach "behandelt" wurde. "Jede Musik eignet sich", meint der Veterinär. Momentan macht er Versuche mit Schweizer Volksmusik. "Lebensfrohe Musik, das hat sicher eine spezielle Wirkung."  

Rustikales und Hightech im Zusammenspiel: Die elektronische Anlage versorgt jede Käsebox individuell mit Musik. 

Rustikales und Hightech im Zusammenspiel: Die elektronische Anlage versorgt jede Käsebox individuell mit Musik. 

Bakterien als Freund und Helfer 

Und wie war das mit den eingangs erwähnten Bakterien und der Rettung der Welt? Beat Wampfler blinzelt verschmitzt und wird dann ernst. Und spricht von einer friedlichen Koexistenz der Menschen mit den Bakterien. "Heute unterdrücken und vernichten wir die Mikroben, die für uns wichtig wären, indem wir alles keimfrei, gekühlt und hygienisch lagern." Die musikalische Beeinflussung von Mikroorganismen sieht er nur als einen Anfang. "Wir müssen aufhören, die Bakterien wie Terroristen zu bekämpfen, vielmehr kann ihre richtige Verwendung helfen, die Lebensmittel gesünder und haltbarer zu machen. Ein guter Alpkäse kannst du ein halbes Jahr im Handschuhfach des Autos liegen lassen und schmeckt immer noch tadellos."  

Wie der "Blues-Käse" wohl schmeckt? 

Wie der "Blues-Käse" wohl schmeckt? 

Käse und Gespräche 

An Ideen und ausgefallenen Gedanken mangelt es dem Tierarzt nicht. Was treibt ihn an? Von den rund zehn bis zwölf Tonnen Käse, die er jährlich verkauft, wird er nicht reich. Nebst gutem Käse seien es die vielen Begegnungen, die er im Zusammenhang mit dem Musikkäse habe, findet er. "Die Menschen, die Gespräche – das ist für mich das Salz und der Pfeffer im Leben. Der Reichtum ist die Summe aller Begegnungen in und ums K3." Das Kulturlokal oben und der Käse unten passen deshalb perfekt zusammen, fügt er an. "Oben ist es die Kultur der Menschen, unten die der Bakterien."