Milchwirtschaft im Rhythmus der Natur

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Gschicht vo hie

Milchwirtschaft im Rhythmus der Natur

Auf dem Hof von Ana und Lukas Burger gibt das Wachstum der Weide den Takt vor. Die Vollweidefütterung macht den Alltag einfacher – und entspricht dem Naturell der Tiere.

Reger Betrieb auf dem Burgershof 

Ein kühler Wind streicht über die Hügel von Rudolfstetten-Friedlisberg. Es ist zehn Uhr morgens und auf dem Burgershof herrscht schon seit Stunden Betrieb. Ana Burger hat die Kühe gemolken, die Herde auf ein neues Weidestück geführt, mit Familie und Lernender gefrühstückt. In der Küche zeugen leere Tassen und Konfigläser vom gemeinsamen Zmorge. "Maaax", ruft sie ihrem Sohn zu, "schiebst du um Viertel vor zwölf das Zmittag in den Ofen?" Der 11-Jährige schaut kurz herein und nickt. Er hat schulfrei heute. Am Mittag kommen seine beiden Geschwister aus dem Dorf, sein Vater vom Feld – dann isst die ganze Hofgemeinschaft zusammen. 

Unsere Milch ist im Frühling ganz anders zusammengesetzt als im Herbst.

Ana Burger, Landwirtin Burgershof
Auf dem Burgershof schauen Ana Burger und Sennenhund Endo zu den Kühen.
Auf dem Burgershof schauen Ana Burger und Sennenhund Endo zu den Kühen.

Futter frisch von der Weide 

Seit 2017 bewirtschaften Ana und Lukas Burger den Biohof. Der Zuschlag war für die Agronomen ein Glücksfall: "Der Hof entspricht genau unseren Vorstellungen – tiergerecht und schön gelegen", sagt Ana. 60 Milchkühe haben sie, 30 Rinder für Aufzucht und Fleisch, dazu Getreide, Erbsen und Bohnen. Burgers füttern ihre Tiere im Vollweidesystem: Während der Vegetationszeit fressen die Kühe ausschliesslich frisches Gras von der Weide.  

Kühe der Rasse Kiwi-Cross sind gwundrig. 

Vollweidefütterung: hierzulande eine Ausnahme

Die Vollweidefütterung ist besonders in Irland und Neuseeland weitverbreitet. Auch die Schweiz ist ein Grasland, hier setzen jedoch nur wenige Betriebe darauf. Das liegt zum einen daran, dass die dafür geeigneten Kühe kleiner sind und weniger Milch geben als andere Rassen. Zum anderen liegt es an den hiesigen Strukturen der Milchverarbeitung. "Unsere Milch ist im Frühling ganz anders zusammengesetzt als im Herbst", erklärt Ana Burger. "Und während wir Anfang des Jahres sehr viel Milch liefern, wird es gegen Ende deutlich weniger. Für die standardisierte Verarbeitung der Käsereien ist das oft ein Problem." Bei Burgers falle das aber kaum ins Gewicht, sagt sie – der Betrieb sei so klein, dass ihr Milchabnehmer gut damit leben könne. 

Kontrollierte Fortpflanzung  

Ana macht sich auf den Weg zur Weide. Wenige Schritte vom Haus entfernt schlagen sich die Kühe die Bäuche voll. Mitten unter ihnen: ein massiger Muni. Jeweils im Frühling wird ein Teil der Kühe künstlich besamt, danach deckt der Muni bis Ende August die Tiere, die noch nicht trächtig sind. Eine Kuh legt ihren Kopf auf sein Hinterteil. "Die ist stierig", erklärt Ana. Zweimal täglich kontrolliert sie die Herde und notiert, welche Tiere paarungsbereit sind. So kann sie abschätzen, wann sie kalben – im Vollweidesystem ein wichtiger Zeitpunkt im Jahreslauf.  

Der Muni deckt die Kühe, die nicht künstlich besamt wurden.
Der Muni deckt die Kühe, die nicht künstlich besamt wurden.
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"Die Milch ist nie gleich – und das ist schön."

Ökologisch, wirtschaftlich und sozial nachhaltig 

Die Vollweidefütterung auf dem Burgershof ist auf die Kalbung im Januar und Februar ausgerichtet. Danach liefern die Kühe am meisten Milch – und das frische Gras bietet genau die Nährstoffe, die sie dafür brauchen. Von März bis November sind die Tiere draussen und fressen ausschliesslich Weidegras, über diese Zeitdauer nimmt die Milchproduktion langsam wieder ab. Im Winter, wenn nichts mehr wächst, kehren sie in den Stall zurück. Sie werden mit Raufutter aus dem Silo versorgt und nicht mehr gemolken. Das System hat viele Vorteile: Es ist ökologisch, wirtschaftlich und sozial nachhaltig – durch weniger Maschineneinsatz, geringeren Arbeitsaufwand und tiefere Tierarztkosten. "Die Weidehaltung entspricht dem Naturell der Tiere", sagt Ana. 

Die Kälbli grasen auf der Nachbarweide. 

Nicht für jede Kuhrasse geeignet 

Gleichzeitig gibt es Herausforderungen: Das Graswachstum hängt vom Wetter ab und nicht jede Kuhrasse ist für die Vollweidefütterung geeignet. Burgers setzen auf Kiwi-Cross-Kühe, eine Holstein-Jersey-Kreuzung aus Neuseeland. Sie sind klein, robust und ihre Milch enthält 15% mehr Eiweiss und Fett als gewöhnlich. "Und sie sind gwundrig", sagt Ana lachend, als eine Kuh sie anstupst: "Hoi Espresso." 

Die Kalbungszeit ist natürlich intensiv. Aber insgesamt haben wir mehr Freizeit und Flexibilität als andere Betriebe.

Ana Burger, Landwirtin Burgershof
Hohes Gras mäht Ana ab – so fressen es die Kühe gerne.
Hohes Gras mäht Ana ab – so fressen es die Kühe gerne.

Arbeiten im Rhythmus der Natur 

Burgers Weidesystem ist durchdacht. 22 Hektaren, auf denen ein mobiler Zaun das Fressverhalten lenkt, damit keine Halme stehen bleiben. Nach dem Melken gibt es morgens und abends eine neue Parzelle. Da Kühe hohes Gras nicht besonders mögen, mäht Ana dieses einfach ab – so fressen es die Tiere gerne. Der Traktor steht schon bereit, Ana startet das Mähwerk. Erwartungsvoll muhend reihen sich die Tiere am Zaun auf und Ana dreht ihre Runden.  

Auf dem Rückweg zum Hof huscht Sennenhund Endo zwischen den Kühen hindurch, sprintet zur Nachbarweide, wo die Kälber stehen. "Wir arbeiten im Rhythmus der Natur", sagt Ana. "Die Kalbungszeit Ende Winter ist natürlich intensiv. Aber insgesamt haben wir mehr Freizeit und Flexibilität als andere Betriebe." Von Mitte November bis Mitte Januar sogar acht Wochen Melkferien. Und wenn die Arbeit im neuen Jahr wieder losgeht? "Dann freuen wir uns richtig darauf." 

Mmh, Glace aus dem Hofladen 

Vor ihrem Hofladen macht Ana halt. Hier gibts Milch, Joghurt, Fleisch und Glace, alles aus eigener Produktion. Sie bietet eine Glace zum Probieren ancremig, frisch, einfach fein. Da kommt Tochter Gianna den Weg vom Dorf herauf. "Es gibt gleich Zmittag, geh schon mal rein", ruft Ana. Am Nachmittag will sie nochmals zu den Kühen schauen, am Abend wird sie ihnen ein neues Weidestück zuteilen. Aber erst einmal wird gemeinsam zu Mittag gegessen – Max hat sein Ämtli erledigt. Ana verabschiedet sich und verschwindet hinter Gianna im Haus.