«In unserer Kita lernen die Kinder den Alltag auf dem Hof kennen.»

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Gschicht vo hie

«In unserer Kita lernen die Kinder den Alltag auf dem Hof kennen.»

Wo spielen, singen, basteln Kinder – und entdecken das Leben mit Tieren und den Jahreszeiten hautnah? In einer Bauernhof-Kita! Zum Beispiel bei Kieners in Habstetten bei Bern. Hier dürfen schon die Kleinsten mit anpacken: im Stall, auf dem Feld, im Garten und in der Küche. Auch die Eltern profitieren davon.

Kuchentag in der Kita «Burehof»

In der Kita «Burehof» ist heute Kuchentag. Der grosse Tisch ist weiss bestäubt von Mehl. Die Kinder haben viel zu tun: Die einen nehmen Teigklumpen aus der Schüssel, andere haben schon das Wallholz in den Fingern, und die Dritten drücken den Teig in der Form fest. Doch hier wird nicht nur gearbeitet, hier wird auch gesungen – und wie! Susanne Kiener sitzt zwischen den Kindern und singt mit ihnen ein Lied zum Heuet. Die pensionierte Primarlehrerin hat es selbst geschrieben – wie so viele Verse, Lieder und Geschichten in der Kita Burehof. «Nochmal!», ruft ein Kind, und alle singen aus voller Kehle.

Zmittag für alle. Oft helfen die Kinder gleich selbst mit, ihren eigenen Zmittag zu backen – zum Beispiel Apfelkuchen.

Jedes Kind hat eine Aufgabe

Derweil widmet sich eine andere Gruppe Kinder konzentriert dem Belag des Kuchens: Janis spannt Äpfel in die mechanische Schälmaschine ein, Arno kurbelt eifrig, und eine meterlange, dünne Apfelschalenspirale windet sich aus der Maschine. «Schau mal, meine ist noch länger als deine vorher!», sagt Arno. In der Küche füllt Andrin die Apfelstücke in die Form. Etwas Eierguss darauf – und fertig ist der Zmittag.

Rekord! Wer schafft es, die längste Apfelschale abzuschälen? Gewonnen!

Hier erleben die Kinder den Bauernhof hautnah.

Severin

Die ganze Familie hilft mit

Die Kita Burehof ist eine Institution in Habstetten. «Ich habe mit einem Kind angefangen, in unserer Stube», erinnert sich Susanne. Sie wollte das Hofleben auch Kindern aus dem Dorf zugänglich machen. Das war vor 23 Jahren. Damals war sie noch Lehrerin und zudem Bäuerin auf dem Hof. Inzwischen ist die Kita in einem geräumigen Anbau neben dem über 200-jährigen Bauernhaus untergebracht. Jeden Tag besucht eine Gruppe von 18 Kindern die Kita. Susanne ist immer noch mit Herzblut dabei, hat die Leitung der Kita aber an ihre Tochter Sophie abgegeben, die selbst ausgebildete Kindergärtnerin ist. Sophie betreut die Kinder zusammen mit ihrer Schwester Bettina und fünf weiteren Angestellten.

Auch Sophies Bruder Severin und seine Frau Andrea mit ihren beiden Kindern Andrin und Luisa spielen eine wichtige Rolle: Sie führen den Bauernhof, auf dessen Gelände die Kita liegt. Es ist ein Miteinander, von dem alle profitieren. Die Kita-Kinder, weil sie die vielfältige Umgebung auf dem Hof erleben können. Und Kieners, weil die Kinder auf ihrem Hof positive Erfahrungen mit der Landwirtschaft sammeln. Erfahrungen, die sie nach Hause tragen, in ihre Familien. «Hier erleben die Kinder den Bauernhof hautnah», erzählt Severin Kiener.

Familiensache. Die Grosseltern Peter und Susanne Kiener, Andrea und Severin mit Andrin und Luisa und die Schwestern Bettina und Sophie.

Wir sind hier auf einem Hof mit echten Tieren – das darf man nie vergessen.

Susanne

Ab in den Stall!

Diese Nähe zur Natur, zu den Jahreszeiten und dem Wetter ist gewollt – und bietet ganz spezielle Erfahrungen für die Kinder der Kita Burehof. Deshalb heisst es heute so wie jeden Tag: Regenhose, Jacke und Stiefel anziehen. Die Tiere wollen auch bei Regen gefüttert werden. Sophie hilft den Kleinsten beim Anziehen und packt alles Nötige zusammen. Kerngehäuse und Apfelschalen kommen in ein Becken, als Grünfutter für die Kaninchen. «Nicht zu viel essen, die Kaninchen wollen auch noch was», ruft Susanne einem Knirps zu, der genüsslich eine Apfelschale knabbert. Ein Grüppchen zottelt bereits los zur Scheune, wo die Kaninchen hungrig warten.

Das zweite Grüppchen ist ausgerüstet mit Mini-Schubkarren: Sie sind zuständig für das Ausmisten bei den Geissen. «Heute gehe ich allein rein», sagt Susanne. Wegen des schlechten Wetters sind alle Geissen im Stall. Sie sind etwas zu ungestüm für die kleinen Kinder. «Wir sind hier auf einem Hof mit echten Tieren – das darf man nie vergessen», sagt Susanne. Den Geissenmist in den Schubkarren fortbringen können die Kinder aber sehr wohl. Sie tun es mit Hingabe und spielerischer Freude. Schubkarren, Mistgabeln, Besen und Giesskannen – all diese Werkzeuge gibt es hier in Mini-Format.

Häsli füttern. Die Äpfel für den Zmittagkuchen sind geschält – über die Schale freuen sich die Häsli. Jedem sein Werkzeug. Schaufel, Traktörli und Besen: Alles gibt es bei Kieners auch in Kindergrösse.
Häsli füttern. Die Äpfel für den Zmittagkuchen sind geschält – über die Schale freuen sich die Häsli. Jedem sein Werkzeug. Schaufel, Traktörli und Besen: Alles gibt es bei Kieners auch in Kindergrösse.

Nicht nur heile Welt

«Uns ist es wichtig, dass die Kinder das Leben auf dem Bauernhof mitbekommen», sagt Sophie. «Wir wollen ihnen keine heile Welt zeigen, sondern den Alltag in einem produzierenden Betrieb.» Konkret heisst das: Die Kinder müssen sich auch mal verabschieden von einem Kälbchen, das zum Metzger geht. Der Haupterwerbszweig von Severin und Andrea ist die Milchwirtschaft und zu einem kleineren Teil die Fleischproduktion. Sie haben 35 Kühe der Rasse Schweizer Fleckvieh, dazu jährlich 35 Kälber, von denen sie jeweils einige aufziehen. «Schweizer Fleckvieh passt gut zu uns, weil es eine Zweinutzungsrasse ist», sagt Andrea. Will heissen: Die Kühe geben weniger Milch als Hochleistungsrassen, sind dafür aber robust und auch für die Fleischproduktion gut geeignet. Die Kühe fressen Gras, Heu, Mais und Getreide – alles vom eigenen Hof. «Wir produzieren Wiesenmilch und füttern kein Soja oder anderes Kraftfutter zu», sagt Severin.

Spielen und arbeiten mit den Jahreszeiten

In der Kita Burehof variiert das Programm je nach Jahreszeit. Die Kinder dürfen bei etlichen Arbeiten auf dem Hof mithelfen und bekommen so Natur und Wetter mit. Im Frühling pflanzen sie Kartoffeln, im Sommer ernten sie wilde Erdbeeren, im Herbst helfen sie, die Äpfel aufzu­lesen, und im Winter sammeln sie Tannzapfen zum Heizen. Gerade im Winter, wenn die Natur ruht, rückt der Kuhstall von Kieners in den Fokus. Er liegt etwas ausserhalb des Dorfes und ist ein beliebtes Ausflugsziel der Kita-Kinder. Das Thema Milch fasziniert: «Wir zeigen den Kindern, was man mit Milch alles machen kann», erklärt Sophie. Gemeinsam stellen sie Butter her und machen ihren eigenen Joghurt, Käse, Quark und Mozzarella.

Garettlen: Wenn Severin Kiener die Kühe füttert, helfen die Kinder mit der Garette mit.

Die Kinder erzählen daheim vom Hof. Das hat auch einen Effekt auf die Eltern.

Sophie

Von der Kita in die Familien

Auch auf dem Feld und im Garten sind die Kinder oft unterwegs. Zum Beispiel auf dem Kartoffelacker, wo mit einer alten Maschine die Kartoffeln aus der Erde geholt und dann von den Kindern eingesammelt werden. «Im Herbst braten wir die Kartoffeln dann zum Zvieri auf dem Feld», sagt Sophie. Es ist eines der Highlights im Kita-Jahr.

Kartoffeln, Sirup, Erdbeerkonfi: Die Kinder helfen bei allem mit und dürfen das Selbstgemachte mit nach Hause nehmen. «Die Kinder erzählen daheim vom Hof und was sie hier alles machen. Das hat auch einen Effekt auf die Eltern», ist Sophie überzeugt. Die Landwirtschaft rückt ein Stück näher zu ihnen. «Die Kinder bekommen hier ein Stück von der Kindheit mit, die auch ich erleben durfte. Das weiterzugeben, macht Freude.»

Der Bauernhof

Severin und Andrea Kiener bewirtschaften in Habstetten/Bolligen 40 Hektaren Land und 6 Hektaren Wald. Sie betreiben hauptsächlich Milchwirtschaft. Auf dem Hof leben 35 Kühe, dazu jährlich 35 Kälber, Ziegen, Kaninchen, Hühner und Katzen.

Neben Gras bauen die Kieners Dinkel, Weizen, Gerste, Lupinen, Mais, Kartoffeln und Äpfel an. Milch, Mehl und Eier verkaufen sie in ihrem Hofladen.

Kieners produzieren Wiesenmilch: Im Sommer erhalten die Kühe vorwiegend Gras, im Winter Heu und Silage. Soja ist als Futter verboten und Kraftfutter auf ein Minimum beschränkt. Die Kühe sind im Sommer oft auf der Weide und geniessen eine besonders tierfreundliche Haltung.

Die Kita Burehof

Die meisten Kinder in der Kita Burehof kommen aus Habstetten und dem Nachbardorf Bolligen. Derzeit sind einige wenige Plätze für Vorschulkinder in der Kita und für Schulkinder im Mittagstisch frei.