Arbeitsplatz Bauernhof: Ist das euer Traumberuf?
Arbeitsplatz Bauernhof: Ist das euer Traumberuf?
Lea (19) aus Alpnach, OW, Landwirtin EFZ
"Ich bin auf einem Kleinbauernhof aufgewachsen und wusste schon immer: Irgendwann möchte ich selbst gern Landwirtin werden, und zwar Vollzeit, auf einem Hof mit vielen Kühen. Noch habe ich keinen eigenen Hof, aber mein Vater hat mir das tollste Geschenk gemacht, das ich mir vorstellen kann: ein Rind namens Havanna."
Yvon (40) aus Diegten, BL, Betriebsleiterin
"Ich bin jetzt seit 16 Jahren Landwirtin und für mich ist es spannend wie am ersten Tag. Ich mag die Herausforderung, dass jedes Jahr anders ist auf dem Hof und ich mit dem zurechtkommen muss, was ich habe. Nebst der Arbeit im Stall und auf der Weide spiele ich Theater, mache Geräteturnen oder bin mit dem Velo unterwegs."
Erst Kanada, dann eigener Milchbetrieb
Landdienst, Lehre, Berufsmatura: Lea Niederberger aus Alpnach OW hat alles geschafft und ist nun ausgebildete Landwirtin. Als Nächstes gehts ab nach Kanada, auf eine Milchfarm: Kühe sind ihre grosse Leidenschaft. Und danach? Für Lea ist klar: "Mein absoluter Traum ist es, in der Schweiz einen Milchbetrieb zu übernehmen."
Mein absoluter Traum ist es, einen Milchbetrieb zu übernehmen.
Tipps von der erfahrenen Landwirtin
In Diegten erhofft sich Lea, Tipps zu erhalten für ihre weitere Karriere – und das Leben als Landwirtin. Hier lebt und arbeitet Yvon Ritter, 40. Sie hat einen Stall voller Tiere und hoffentlich einige praktische Ratschläge für die Junglandwirtin.
Der Eimatt-Hof in Diegten
Yvon Ritter betreibt auf ihrem Hof vorwiegend Milchwirtschaft und baut für ihre Kühe eigenes Futter an.
- 24,8 ha Naturwiesen, extensive Wiesen, Kunstwiesen
- 9,4 ha Getreide, Getreide-Erbsen-Bohnen-Mischung, Silomais
- 2,3 ha Wald, Hecken-, Feld- und Ufergehölze, Kirschbäume
Zwei Frauen voller Tatendrang
Lea steht bereits auf dem Hofplatz, als Yvon in Arbeitsmontur um die Ecke biegt: "Sorry, ich musste zuerst noch die Kühe füttern." Sie reicht Lea die Hand. "Komm, ich zeige dir erst mal den Hof." Lea lässt sich nicht zweimal bitten. Sie hat bereits ihre Stallhosen an.
Der Eimatt-Hof ist einer der grösseren in der Gegend. Er zählt 60 Milchkühe, 35 Aufzuchtrinder und jährlich rund 40 Kälber. Yvon führt Lea in den geräumigen Laufstall, wo sich die Kühe frei bewegen können. Sie wählen selbst, wann sie sich melken lassen, an der Rundbürste eine Massage gönnen oder den Schlafplatz aufsuchen. Und wann sie fressen. Auf dem Speiseplan der Kühe stehen viel frisches Gras, Erbsen, Getreide und Mais. Alles vom eigenen Hof. Einen Teil der Siloballen kauft Yvon im Nachbardorf.
Zwei Personen, viel Arbeit
Lea packt eine Gabel und hilft Yvon beim Füttern. "Clever, du musst nicht von Hand ausmisten!" Sie zeigt auf den Balken am Boden. Mit ihm lässt sich der Mist automatisch in die Grube schaben. Yvon nickt. "Der spart mir viele Stunden Arbeit." Zeit, die sie brauchen kann. Denn auf dem Eimatt-Hof gibt es nur zwei Mitarbeitende: sie selbst und ihren Partner. Und der arbeitet noch 50 Prozent auswärts.
Ich bin mir harte Arbeit gewohnt.
Vom Melkroboter direkt aufs Handy
Auch das Melken läuft bei Yvon automatisch, per Melkroboter. Vom Technikraum aus werden die Melkdaten der Kühe live auf Yvons Handy übertragen. Lea schaut auf den Monitor: "Da sieht man die Milchmenge pro Kuh." Die Milch wird jeden zweiten Tag von einem Transporter abgeholt und von einer Milchgenossenschaft verarbeitet. "Unser Hof war einer der ersten mit einem Roboter", erzählt Yvon. Heute wäre ein Betrieb ohne für sie undenkbar.
Landwirtin über Umwege
Die beiden Frauen nutzen einen Moment der Ruhe und plaudern bei einem Kaffee in der Sonne. "Wie bist du eigentlich zu deinem Hof gekommen?", fragt Lea. Yvon nimmt einen Schluck Kaffee: "Über Umwege. Zuerst habe ich Sport studiert. Mein Bruder sollte den Hof übernehmen. Doch er hat sich für eine andere Karriere entschieden. Da habe ich meine Chance gepackt." Nach der Ausbildung zur Landwirtin und der Meisterprüfung arbeitete Yvon mehrere Jahre für ihren Vater.
Vor einem Jahr übernahm sie die Betriebsleitung. Es war eine grosse Veränderung. Sie erinnert sich: "Plötzlich war ich meine eigene Chefin." Ihr Vater hat sich per sofort fast vollständig vom Hof zurückgezogen. Das gab Yvon freie Hand, stellte sie aber auch auf sich selbst. "Manchmal vermisse ich meinen Vater auf dem Hof", sagt Yvon. "Jetzt hängt alles an mir. Die ganze Arbeit und die Verantwortung." Verantwortung für den Hof. Für die Maschinen. Für die Gebäude. Aber vor allem für die Tiere. "Ich möchte, dass es ihnen gut geht, allen", sagt Yvon. Ihre Messlatte ist hoch. Der Druck auch.
Nichts für schlechte Nerven
"Wie ist dein Alltag – magst du die Arbeit gut bewältigen?", fragt Lea. "Körperlich ist es kein Problem", sagt Yvon. Als ehemalige Mehrkämpferin ist Yvon hohe Belastungen gewohnt. Auf dem Hof legt sie täglich etliche Kilometer zurück. "Aber ich musste mich anderweitig beweisen", erinnert sie sich. "Ich war eine von wenigen Frauen in der Ausbildung. Oft hiess es: Die ist vielleicht gut in der Schule – aber vermutlich Theoretikerin. Erst mit der Zeit wurde ich als vollwertige Betriebsleiterin akzeptiert", sagt Yvon. "Das brauchte viele Nerven." Und einen langen Schnauf.
Auch mal Zeit für sich
Einen langen Schnauf und ordentlich Biss brauchte auch Lea während ihrer Ausbildung. "In der Lehre war ich manchmal abends im Ausgang. Am Morgen früh kam ich heim. Und ging direkt in den Stall. Da habe ich meine körperlichen Grenzen kennengelernt." "Das kenne ich", sagt Yvon. "Im Sommer dauert ein Arbeitstag manchmal bis 23 Uhr. Am nächsten Morgen geht es um 6.30 Uhr wieder los. Auf Dauer geht das an die Substanz." 2023 übernahm Yvon die Betriebsleitung. Sie erinnert sich: "In meinem ersten Jahr als Betriebsleiterin war ich jeden einzelnen Tag auf dem Hof." Ferien gabs keine. Sie bilanziert: "Ich habe mir vorgenommen, besser zu mir zu schauen. Mir mehr Freiheiten einzuräumen. Zum Beispiel einmal nachmittags aufs Bike zu steigen."
Support vom Partner
Die beiden Frauen gehen zum Stall und lassen die Kühe auf die Weide. Lea blickt zu Yvon: "Was sind für dich die grössten Herausforderungen als Landwirtin?" Yvon überlegt. "Die vielen Vorschriften. Die unsichere Zukunft der Landwirtschaft. Und einen Partner zu finden, der dich und deinen Beruf akzeptiert. Ich kenne viele Landwirtinnen, die einen Betrieb übernommen haben, dann aber aufgeben, weil der Partner nicht mitzieht. Das finde ich schade." Mit ihrem Partner hat Yvon einen guten Mittelweg gefunden. Er ist zuständig für die Kälber und den Maschinenpark. Sie für den Rest. "Ich bin froh, dass er noch auswärts arbeitet. Das gibt jedem von uns seinen Freiraum."
"Was begeistert dich am meisten für deine Arbeit?", möchte Lea wissen. "Ich liebe meine Tiere", sagt Yvon, und streicht einer Red-Holstein-Kuh über den Rücken. "Besonders die Kühe. Ein Bauernhof ist ein wahnsinnig anspruchsvoller, aber auch spannender Betrieb. Du hast Verantwortung für deine Tiere. Du musst unternehmerisch denken. Du produzierst Nahrungsmittel. Es ist wie Jonglieren mit vielen Bällen."
Lea strahlt. "Toll, wie du das alles schaffst. Ich hoffe, dass ich das auch mal schaffe – irgendwann, wenn ich aus Kanada wieder zurück bin!"